\“Es ist nie zu spät, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.\“ Diese Botschaft gab Dr. med. Wolfgang Bunk den rund 50 Zuhörern mit auf den Weg, die sich jetzt ein Stelldichein im AWO-Mehrgenerationenhaus in Herborn gaben. \“Burnout – aus Sicht eines Arbeitsmediziners\“ lautete der Titel des Vortrags, in dessen Rahmen der Wetzlarer Experte die ständig steigende Zahl derer, die sich im Berufsalltag ausgebrannt und erschöpft fühlen, unter anderem darauf zurückführte, dass \“88 Prozent der Deutschen\“ – vor allem bedingt durch moderne Wege und Formen der Kommunikation – \“keinen Feierabend mehr haben\“.

Die etwa eineinhalbstündige Veranstaltung im großen Saal des Familienzentrums war auf Initiative der Selbsthilfegruppe \“Zuversicht\“ zustande gekommen, die sich an jedem ersten und dritten Montag im Monat zwischen 19 und 20.30 Uhr unter Leitung von Reinhard Ertl im Herborner MGH trifft. \“Das Thema \’Burnout\‘ beschäftigt mich seit etwa eineinhalb Jahren intensiv\“, erläuterte der Arbeitsmediziner. Nach einer Statistik aus dem Jahr 2012 würden sich \“12 Prozent der Mitarbeiter beruflich überfordert fühlen\“. Die Menge derer, die wegen psychischer Erkrankungen, \“berentet\“ oder arbeitsunfähig geschrieben würden, steige ständig.

\“Mittlerweile zählen Depressionen zu den häufigsten Krankheiten im beruflichen Alltag\“, berichtete Dr. Bunk. Besonders häufig trete ein Burnout mit all seinen Nebenerscheinungen in sozialen Berufen, Gesundheitsberufen (Krankenschwestern, Ärzte) sowie bei Lehrern auf. \“Der hohe Druck, ständig präsent sein zu müssen\“, sei oftmals Grund allen Übels.

Menschen, die glaubten, \“unersetzbar zu sein\“, es \“immer allen recht machen\“ wollten und auch \“von sich selbst sehr viel erwarten\“ würden, würden enorme Gefahr laufen, irgendwann ausgebrannt und erschöpft zu sein. \“Ich erlebe in meinem Alltag viele Menschen, die einfach kein Hobby mehr haben\“, so die Erfahrung des Mediziners. Sein Rat an die Zuhörer: \“Man muss sich etwas neben der Arbeit suchen und dafür sorgen, dass man sozial eingebunden ist.\“

Mögliche Symptome für ein Burnout seien physische und psychische Erschöpfung, reduziertes Engagement und ungewöhnlich emotionale Reaktionen. \“Die Haut wird dünner\“, fasste es Dr. Bunk treffend zusammen. Weitere Anzeichen für ein Burnout könnten innere Leere und emotionale Verflachung sein. Körperliche Anzeichen dafür, dass etwas aus dem Lot geraten sei, seien unter anderem Schlafstörungen oder auch ein Hörsturz.

Als \“äußere Risikofaktoren\“, die zu einem Burnout führen könnten, nannte der Arbeitsmediziner hohe Anforderungen, Zeitdruck und die zunehmende Arbeitsverdichtung im Berufsalltag. Führungsprobleme innerhalb des Unternehmens, Umstrukturierungen und Entlassungswellen könnten ebenfalls erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten haben. \“Oft führt ein langer Eiertanz, ob man seinen Job jetzt behält oder nicht, direkt in eine Überforderung\“, erklärte Dr. Bunk. Ein miserables Arbeitsklima, Mobbing und schlechte Kommunikation täten ihr Übriges.

Sei ein \“Burnout\“ einmal diagnostiziert worden, müssten Erkrankte vorübergehend \“aus dem Verkehr gezogen\“, also krank geschrieben, \“werden\“. \“Es ist keine Schwäche, sich einzugestehen, dass man Hilfe braucht\“, machte der Arbeitsmediziner deutlich. \“Jemand, der an einem Burnout leidet, ist genauso ein Notfall wie der, der eine Blinddarmentzündung hat.\“

Als Hoffnungsschimmer, der zunehmenden Zahl von Burnout-Erkrankungen entgegentreten zu können, wertete Dr. med. Wolfgang Bunk Anzeichen, dass \“sich immer mehr Unternehmen zunehmend für dieses Thema öffnen\“ und betriebsintern \“in kleinen Schritten ein Umdenken\“ stattfindet.

Zunächst einmal jedoch müssten Beschäftigte selbst präventiv handeln, um im beruflichen Alltag nicht unter die Räder zu kommen. Bunks Appell an sein interessiert lauschendes Publikum: \“Leben Sie aktiv, atmen Sie frische Luft, leben Sie spirituell, bewegen Sie sich ausreichend, setzen Sie sich Grenzen und lassen Sie den Kopf nicht hängen, wenn Ihnen das Wasser einmal bis zum Halse steht.\“

Info: Die Selbsthilfegruppe \“Zuversicht\“, die sich an jedem ersten und dritten Montag im Monat im AWO-Mehrgenerationenhaus in Herborn trifft (19 bis 20.30 Uhr) versteht sich als Ergänzung zu professionellen Hilfen. Kontakt: AWO-Mehrgenerationenhaus, Tel. (02772) 959616.