Seit nahezu dreißig Jahren ist die Ballersbacherin regelmäßiger Gast in dem einzigen Land, in dem auf den \“Arabischen Frühling\“ eine demokratische Regierung folgte. In dieser Zeit hat die Journalistin eine besondere Beziehung zu Land und Leuten aufgebaut. Gleichermaßen lehrreich wie unterhaltsam war der Vortrag, den Hannelore Benz im Rahmen der Reihe \“Uns geht\’s gut – und den anderen?\“ im AWO-Mehrgenerationenhaus in Herborn über Tunesien hielt.
Knapp 75 Minuten befasste sich die Autorin mit der politischen Entwicklung in dem nordafrikanischen Staat seit der Befreiung vom französischen Protektorat im Jahr 1956 durch Habib Bourguiba. Großen Raum nahmen die aktuellen Geschehnisse und Folgen des jüngsten Terror-Anschlags auf das Bardo-Museum in Tunis ein, bei dem in der vergangenen Woche mindestens 20 ausländische Touristen und fünf Einheimische gestorben waren.
\“Dieser Anschlag wird die Haupteinnahmequelle der Tunesier, den Tourismus, vernichten\“, prognostizierte Benz. Die für das Land so wichtige Fremdenverkehrs-Industrie werde unter dem Attentat radikaler Extremisten und dessen Folgen erheblich leiden. Die Ballersbacherin wenig zuversichtlich: \“Vor allem die kleinen Leute werden der Not und dem Hunger ausgeliefert sein.\“
Die Journalistin und Autorin rief ihren Zuhörern noch einmal die Ereignisse in Erinnerung, die Ende 2010/Anfang 2011 zum Sturz des Diktators Ben Ali und zum Beginn des \“Arabischen Frühlings\“ geführt hatten. \“Die tunesische Jugend hat sich damals große Verdienste erworben\“, sagte Benz rückblickend.
Als Nachteil beim Aufbau des neuen Staatswesens habe sich jedoch das Fehlen einer demokratischen Parteienlandschaft herausgestellt. Nachdem mehrere Jahrzehnte lang ein Polizeistaat vorgeherrscht habe, hatten \“die Leute einfach keine Erfahrung mit der Politik\“, resümierte die Ballersbacherin. Dennoch sei Tunesien immer noch die einzige Erfolgsgeschichte des \“Arabischen Frühlings\“. Seit Ende 2014 ist Beji Caid Essebsi (88) der erste demokratisch gewählte Präsident eines arabischen Landes. Benz mit Blick auf das stolze Alter Essebsis: \“Man sollte beten, dass er noch möglichst lange lebt.\“
Nachdenklich stimmten die Beschreibungen der Journalistin vom alltäglichen Leben der \“kleinen Leute\“, die oft vom direkten Kontakt mit den ausländischen Besuchern lebten, finanziell keinerlei Rücklagen hätten, sich aber dennoch nicht unterkriegen ließen. \“Ich weiß nicht, wie diese Menschen jetzt noch satt werden wollen, wenn der Tourismus einbricht\“, so Benz pessimistisch, die seit vielen Jahren eine tunesische Familie finanziell direkt unterstützt.
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